Kurz vor Weihnachten 2022 sah ich im Fernsehen einen Bericht über das nur alle fünf Jahre stattfindende Sänger- und Tanzfest in Riga. Und die emotionalen Bilder von diesem Grossereignis mit sehr hoher nationaler Bedeutung hatte nicht nur mich, sondern auch meine Frau sehr bewegt.
Die Information im Bericht, dass die Karten für das zentrale Sängerkonzert innerhalb von wenigen Minuten ausverkauft sind, hielt uns von einer Recherche nicht ab. Erste Erkenntnis: 2023 findet das nächste Fest statt. Zweite Erkenntnis: Von Deutschland aus lässt sich ein Kartenkauf über das offizielle Online-Portal schwer händeln.
Wir haben dann bei einen Hamburger Baltikum-Spezialreiseveranstalter ein Reise-Package gebucht. Nach einer sehr erlebnisreichen individuellen PKW-Rundreise konnten wir zwei Sängerfest- und eine Tanzfestaufführung als Top-Erlebnis miterleben. Immer waren wir begeistert, emotional gerührt und voller Dankbarkeit über diese außergewöhnlichen Erlebnisse.
Zeitlich versetzt finden in allen drei baltischen Staaten alle fünf Jahre ein Lieder- und Tanzfest statt. Ein Ereignis, an dem eine ganze Nation Anteil nimmt und mitfiebert. Beim sonntäglichen Frühstück in unserem Hotel in Alūksne lief im Fernseher eine Life-Übertragung des lettischen Fernsehens. Voller Stolz erklärte uns die Kellnerin, dass der Bericht über das Sänger- und Tanzfest in Riga handelt, ihre Tochter als Teilnehmerin ausgewählt wurde und sowohl sie als auch ihre Tochter überglücklich und stolz sind. Dass die Freude und Begeisterung unserer Kellnerin sich noch einmal um ein Vielfaches steigerte, als wir ihr als Deutsche erzählten, dass wir genau wegen diesem Fest nach Lettland gekommen sind, brauche ich vermutlich nicht groß zu erwähnen.
Die Geschichte Lettlands unterscheidet sich ja deutlich von der deutschen Geschichte. Dennoch haben viele Gespräche mit jungen Letten mir gezeigt, dass wir Deutschen viel vom lettischen Nationalstolz, ihrem Bekenntnis zu Demokratie & Freiheit und dem positiven Blick in die Zukunft inklusive eindeutiger Abgrenzung zu post-sozialistischen Ideen lernen können.
Im Rigaer Stadtteil Mežaparks konnten wir auf der auf der Festbühne zwei Chorkonzerte besuchen: das Große Chorkonzert „Tīrums. Dziesmas ceļš” („Reinheit: Der Weg des Liedes”) und das Abschlusskonzert „Kopā Augšup“ („Gemeinsam aufwärts”). Ersteres hatte mehr Bezug auf die 150-jährige Liederfest-Tradition und die Anfänge der choralen Volksmusik. Das Abschlusskonzert wiederum beinhaltete die beliebtesten Chorlieder und neue Kompositionen. Als Zuhörer aus Deutschland konnte ich natürlich die etwas unterschiedlichen Ausrichtungen nicht heraushören. Für mich war alles beindruckend und schön.
Und als weit über 10.000 Sängerinnen und Sänger in einem bereits sensationellen Konzert auf der riesigen Freilichtbühne "Mežaparka Lielā estrāde" anfingen, alte traditionelle Volkslieder zu singen und etwa 30.000 Letten stehend diese Lieder mitsangen, da blieb mir nichts anderes übrig, als sehr emotional mit Gänsehaut und Kribbeln im Bauch die Atmosphäre zu genießen. So etwas habe ich noch nicht erlebt!!! Oder volkstümlich gesagt: „Kannste nicht erzählen, musste selbst erleben!“ 😊
Angesichts der gewaltigen Chorbühne im Mežaparks könnte schnell der Eindruck entstehen, dass das Tanzfest im mittelgroßen Rigaer „Daugavas Stadionā”mit maximal möglichen 10.000 Zuschauern eher eine kleinere Nebenveranstaltung darstellt. Dies war definitiv nicht der Fall. Laut Programmheft waren 17.543 Tänzerinnen und Tänzer nominiert. Demnach sogar mehr Mitwirkende als bei den beiden großen Chorkonzerten. Und auch beim Tanzfest galt: Einfach nur staunen und genießen!
Die Gestalter des großen Festes hatten das Hauptmotto „Mūžīgais dzinējs” (Perpetuum Mobile) für die Tänze gewählt und präsentierten dies mit verschiedenen tänzerischen Themengruppen. Besonders beeindruckend war die unterschiedliche Mischung verschiedener Traditionen und Altersgruppen. Die Veranstaltung war keine lettische „Musikantenstadl-Variante”. Von den 667 Tanzgruppen nahmen immerhin 238 reine Jugendtanzgruppen am Fest teil.
Auch im Abstand einiger Monate denke ich oft an das Sänger- und Tanzfest in Riga. Es war wirklich beeindruckend! Als Weihnachtsgruß 2024 habe ich daher einen kleinen Kamera-Videomitschnitt vom Tanzfest auf meiner Website eingestellt. Die Begeisterung, mit der junge Menschen eine moderne Version eines alten Volkstanzes darboten, lässt sich zumindest erahnen. Daher kann Video-Ausschnitt kann auch mit der Überschrift "Jugend trifft auf Tradition" betitelt werden!
Durch Klicken in das Bild kann das Video angeschaut werden.
Es erfolgt eine Weiterleitung auf meinen YouTube Kanal!
Die vielen Teilnehmer müssen die riesige Bühne erst einmal betreten. Dies allein ist schon beim Zuschauen sehenswert. Fast eine halbe Stunde dauert es, bis alle Sängerin und Sänger die Traversen gefüllt haben. Kurioserweise beschäftigte mich am meisten, wie sich wohl die vier Frauen gefühlt haben, welche paarweise links und rechts den Einmarsch angeführt haben. Vor den Frauen niemand, danach über 10.000!
Der Einmarsch wurde von alter Volksmusik begleitet. Gespielt wurde mit traditionellen Instrumenten in entsprechenden Trachten. Zumindest der Dudelsack in seiner nordöstlichen Variante (Duda genannt) war deutlich herauszuhören.
In Fernsehaufnahmen werden meist nur die Gesangs- bzw. Tanzdarbietungen gezeigt. Hier auch einige Eindrücke „Hinter und auch weit vor den Kulissen“.
Die bereits seit 1956 existierende und 2023 neu gebaute Bühne liegt im Erholungsgebiet Mežaparks weit außerhalb des Rigaer Stadtzentrum. Im Umfeld der Freilichtbühne gibt es kaum Parkmöglichkeiten. Hauptanreisemittel sind demnach Straßenbahn und Fahrrad, egal ob Sänger oder Zuschauer! Angesichts der ausgelassenen Stimmung macht der etwa 30-minütige Fußweg von der Haltestelle bis zum Festareal viel Spaß. Dort angekommen lässt bereits die leere Bühne im Mežapark erahnen, dass ein beeindruckendes Ereignis bevorsteht.
Der Veranstaltungsort des Tanzfestes ist mit dem des Sängerfestes aus lokaler und technischer Betrachtung völlig anders gestaltet. Das Daugavastadion liegt mitten in der Stadt mit Blick auf ein kleineres Industriegebiet und wird sonst vorrangig als Fußball- und Leichtathletik-Stadium mit nur drei Zuschauerarenen genutzt. Platz finden etwa 10.500 Zuschauer.
Bezüglich des hohen künstlerischen Niveaus, Lebensfreude über Altersgruppen hinaus und erneut gelebten Nationalstolz gab es (natürlich) keinen Unterschied.
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